Die Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlichte am 5.11.2015 ein ausführliches Dossier über den Rhedaer Großschlächter, Fleischproduzenten, Milliardär und Fußballfunktionär Clemens Tönnies. Darin geht es allerdings kaum um Agrar- oder Tierschutzfragen, sondern hauptsächlich um die Arbeitsbedingungen der u.a. rumänischen Werkvertragsarbeiter. Wer an einer Kopie interessiert ist, maile mir bitte eine Anfrage.
Jens J. Korff, BUND-Regionalgruppe Detmold/OWL
Der Artikel war Anlass einer interessanten Diskussion über die Rolle von Unternehmern und die Rolle von Verbrauchern bei jenen Fehlentwicklungen, die wir anprangern. Bitte setzen Sie die Diskussion bei Interesse über die Kommentarfunktion fort! Sie können auch anonym einen Kommentar absetzen.
Josef Janßen schrieb am 9.11.2015:
...ich habe den Bericht nur angelesen und mich an vergleichbare Reportagen über Fleischfabriken erinnert. Man kann sich über den Unternehmer empören, aber auch über Kunden, die es immer noch billiger haben wollen.
Der Unternehmer (siehe auch Lidl oder das Callcenter, von Wallraff beschrieben) folgt (nur) den Gesetzen globalisierter Märkte. Wer das nicht will, braucht andere Kaufentscheidungen und Rahmenbedingungen: statt liberalisierter globaler Märkte (a) die Unterstützung regionaler Märkte, statt Wirtschaftswachstum die (b) Stärkung der Postwachstumsgesellschaft (Niko Paech) und eine (c) Antwort (und Gegenstrategie) zu der Frage, warum wir Europäer immer mehr wollen, höher, größer, schneller, weiter wollen, usw. …
Alle drei Strategien sind m.E. auch besonders wirksam für den Klimaschutz, auch in Bielefeld.
Jens J. Korff schrieb am 10.11.2015, 12h:
...da ist sicher was dran, und doch scheint mir, dass man das auch anders sehen kann. Zunächst fällt mir auf, dass du offenbar an Unternehmer und Verbraucher unterschiedliche moralische Maßstäbe anlegst. Verhalten sich Verbraucher, die die Waren ihres täglichen Bedarfs so billig wie möglich bekommen wollen, nicht genau so ökonomisch wie die von dir beschriebenen Unternehmer? Warum sollten Verbraucher weitsichtiger sein als Unternehmer und eher als diese bereit, auf kurzsichtige ökonomische Vorteile zu verzichten?
Andererseits gibt es sowohl Verbraucher als auch Unternehmer, die genau das tun (Beispiele für Unternehmer bei Förster-Kreuz). Beide Gruppen haben offenbar mehr Handlungsspielraum, als den meisten ihrer Vertreter (und vor allem ihren jeweiligen Verbandsvertretern) bewusst ist.
Die Gegenstrategie scheint tatsächlich darin zu liegen, sich zumindest ein Stückweit aus der Wettbewerbslogik zu befreien und kooperativ statt in Konkurrenz zu denken. Auch die Verbraucher unterliegen ja Konkurrenzlogiken: Sie konkurrieren um knappe Arbeitsplätze und glauben, sich dafür qualifizieren und optimieren zu müssen. Sie sehen ihre Kinder in einem Konkurrenzkampf um zukünftige Arbeitsplätze und glauben, deren Chancen mit allerlei verrückten Ritualen verbessern zu können. Darauf konzentrieren sie ihre knappen Ressourcen und vernachlässigen demzufolge Klimaschutz, Naturschutz usw.
Josef Janßen schrieb am 10.11.2015, 16h:
Die Frage ist für mich, wer der primäre Impulsgeber für Veränderungen ist: Wirtschaft, Politik oder Bürger. Erich Kästners Antwort: der Einzelne, also der Bürger. Das leuchtet mir ein. Die Politik folgt den Mehrheiten; die Marktwirtschaft folgt der Nachfrage von Kunden. Wer das in Politik und Wirtschaft nicht begriffen hat, „spielt“ bald nicht mehr mit. Der Bürger (Clemens Tönnies) hat es einfacher. Er verzichtet auf "allerlei verrückte Rituale“, setzt auf regionale statt globale Märkte, auf Qualität statt Quantität, und stärkt damit sich und seine Familie, also auch das Wohl der Kinder und deren berufliche Zukunft. Würde der Bürger (Clemens Tönnies) sich so auch als Unternehmer (Clemens Tönnies) verhalten, ginge es schon bald auch seiner Familie sehr schlecht. Quod erat demonstrandum.
Nein, so schnell lasse ich Politiker und Unternehmer nicht davonkommen. "Die Politik", will sagen: die Bundesregierung, folgt keineswegs immer den Mehrheiten. Z. B. gibt es eine klare 80%-Mehrheit der Deutschen gegen Waffenexporte. Die Bundesregierung denkt nicht daran, dem zu folgen. Es gibt seit vielen Jahren eine klare Mehrheit für ein Tempolimit, doch Bundestag und Bundesregierung folgen dem nicht. Auch die Marktbedingungen folgen nicht einfach der Nachfrage. Ein Beispiel: Ich möchte im nächstgelegenen Jibi-Markt gerne Biowurst kaufen. Es gibt aber keine dort. Da ich keine Zeit habe, noch woanders hinzugehen, kaufe ich also eine "böse Wurst" von Tönnies - und werde prompt als einer derjenigen mitgezählt, die wegen ihres dumpfen Egoismus angeblich schuld sind an der Menschen- und Tierquälerei. Es ist nun mal meine Entscheidung, dass ich die Umwelt hauptsächlich durch Verzicht aufs Autofahren schütze. Da muss ich als Berufstätiger, Alleinversorger und Geringverdiener beim Einkaufsverhalten Abstriche machen. Eine Schuld an Tierquälerei übernehme ich jedoch nicht, denn wenn es Biowurst dort zur Auswahl gibt, wo ich täglich einkaufen kann, dann kaufe ich sie. - Darüber, welche Produkte Regalplätze im Supermarkt bekommen, entscheidet keineswegs nur der Verbraucher. Darüber entscheiden Manager.
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