Die BUND-Regionalgruppe
Detmold hatte dazu eingeladen, an positiven Beispielen Alternativen zum
anhaltenden Flächenverbrauch aufzuzeigen. Bereits der erste Gastredner Jürgen
Lübbers, Bürgermeister der niedersächsischen Samtgemeinde Barnstorf,
begeisterte mit seinem engagiert vorgetragenen Erfolgsbericht die knapp 20
Zuhörer aus Bielefeld, Herford, Paderborn, Gütersloh und Essen. Kern der Entwicklung in Barnstorf war die
Umwandlung (Konversion) einer großen Bundeswehrkaserne in ein florierendes
Gewerbegebiet.
2005 schlug die „Struck-Liste“ erbarmungslos zu: Die
Hülsmeyer-Kaserne in Barnstorf wurde geschlossen; die Samtgemeinde verlor mit
einem Schlag 100 Arbeitsplätze und zahlreiche seiner rund 12.000 Einwohner. Der
Schock war groß, wie Lübbers erzählte, doch schon 2006 wurde die Kommune fündig,
als sie nach alternativen Möglichkeiten suchte: Das bundesweite
Forschungsprojekt REFINA eröffnete die Chance, die Konversion, also zivile
Umnutzung des knapp 20 ha großen Geländes mit den Zielen Bürgerbeteiligung und
Flächenrecycling zu verknüpfen. Tatsächlich gelang es der Samtgemeinde, von
2006 bis 2009 fast alle Gebäude und Grundstücke des Geländes zu vermarkten und
dort 17 Unternehmen und soziale Einrichtungen anzusiedeln – trotz relativ
schlechter Verkehrsanbindung. Verknüpft war dieser „Kasernenfrühling“ mit einer
breit diskutierten Grundsatzentscheidung: Barnstorf verpflichtete sich zu einem
nachhaltigen Flächenmanagement: Statt wie früher üblich ständig neue Wohn- und
Gewerbegebiete in die freie Landschaft hineinzuplanen, begann man damit, die
Ortskerne zu verdichten und überall Baulücken und Brachflächen für die Weiterentwicklung
zu erschließen.
Die Resultate sind messbar: Die Gewerbesteuereinnahmen der Teilgemeinde,
in der das Kasernengelände liegt, stiegen von rd. 60.000 auf über 760.000 €. Die
Zahl der Beschäftigten in der Samtgemeinde stieg von 2400 (2004) auf 2900
(2011). Der Einwohnerverlust nach Abzug der Bundeswehr wurde fast wieder
ausgeglichen – ohne ein einziges Neubaugebiet auf der grünen Wiese. Die Zahl
der leerstehenden Geschäftslokale in den Ortskernen von Barnstorf verringerte sich
erheblich. Lübbers nannte sieben Faktoren, die diese Erfolge möglich gemacht
haben:
- · die konsequente Bürgerbeteiligung: Sie begann bereits 2006 mit einem Volksfest auf dem Kasernengelände. Die meisten Besucher betraten es zum ersten Mal. Danach sprach sich auch in den Betrieben der Region herum, dass es dort attraktive Betriebsgebäude mit guter Infrastruktur günstig zu erwerben gab. Ein Bürgerforum half mit, ein Leitbild für die nachhaltige Ortsentwicklung zu formulieren.
- die Erhaltung der Gebäude: Die Gemeinde kümmerte sich zusammen mit Sportvereinen, die die dortige Sporthalle nutzten, frühzeitig um eine Bewachung des Geländes. Dadurch wurden Vandalismusschäden vermieden.
- ein Anker-Investor: Die größte Halle wurde bereits frühzeitig an ein Unternehmen aus der Region verkauft.
- eine Stichprobe beim Häuserbestand: Lübbers ermittelte persönlich, wie viele Häuser einer typischen Wohnsiedlung von Senioren bewohnt werden. Es waren etwa 40 %. Alle diese Häuser und Grundstücke werden in den nächsten Jahren frei werden. Mit diesem Beispiel konnte er viele Ratsmitglieder davon überzeugen, dass zusätzliche Wohngebiete nicht gebraucht werden, und dass Häuser und Baugrundstücke an Wert verlieren würden, wenn man trotzdem welche auswiese. Kleine Ortskerne wurden abgerundet, um deren Bestand zu sichern.
- ein öffentliches Baulückenkataster: Lübbers und seine Mitarbeiter sprachen persönlich zahlreiche Besitzer bebaubarer Grundstücke im Ortsinnenbereich an, um sie davon zu überzeugen, ihre Grundstücke auf dem Markt anzubieten. In über 50 % der Fälle hatten sie Erfolg. Die Samtgemeinde stellte die Baulücken auf ihrer Website dar und machte es möglich, sie via Google Earth online zu besichtigen.
- seniorenfreundliche Maßnahmen: Die Samtgemeinde mobilisierte Grundstücke im Ortskern. Dort entstanden eine Seniorenresidenz und Wohnungen für die Zielgruppe 50 plus. Der Bahnhof und viele Straßen wurden barrierefrei gemacht. Die Kaufkraft der zugezogenen Senioren rettete die Geschäfte in den Ortskernen und verhinderte, dass die Ortskerne veröden.
- Glück. Manches ergab sich aus glücklichen Fügungen.
Wie wichtig der Faktor Bürgerbeteiligung war, erläuterte
Lübbers an einem Beispiel: Als es in der entscheidenden Ratssitzung zum Schwur
kommen sollte und die Vorlage auf dem Tisch lag, „dass der künftige Bedarf an
Flächen der Samtgemeinde für Wohnen [und Gewerbe] grundsätzlich durch
Innenentwicklung, Flächenrecycling sowie Umnutzung gedeckt wird“, bekamene
einige Ratsmitglieder weiche Knie, und die Sache drohte zu kippen. Doch im
Publikum saßen die aktiven Bürger, die das Leitkonzept mitformuliert hatten,
und machten Druck. Deshalb trauten sich die Bedenkenträger dann doch nicht, mit
Nein zu stimmen – und waren im Nachhinein froh darum.
Die Diskussion danach war ebenso lebhaft wie Lübbers‘
Vortrag. Es ging um die Konversionsflächen in Herford, Paderborn und Gütersloh,
um Baulückenkataster, um das vielfach fehlende Bewusstsein für die negativen
Folgen des Flächenfraßes, um neue Straßen und Ausgleichsmaßnahmen. Lübbers wies
auf neuere Forschungsergebnisse hin, die belegten, dass neu ausgewiesene
Siedlungsflächen die Kommunen längerfristig in der Regel mehr Geld kosten als
sie einbringen. Der Flächenfraß werde also subventioniert.
Ullrich Richter aus Herford wies darauf hin, dass die Landesregierung
in ihrem Landesentwicklungsplan (LEP) den Flächenverbrauch reduzieren und dabei
auf Konversionsflächen zurückgreifen wolle. Ein positiver Ansatz, der sofort auf
den Widerstand von Industrie- und Handelskammern gestoßen sei; denn die
wollten sich zunächst so viele neue Gewerbeflächen wie möglich in der freien
Landschaft sichern – und die Konversionsflächen dann zusätzlich oben drauf
bekommen. Konversionsflächen wie in Herford (30 ha) sollen gemäß einer
Verwaltungsvorlage für den Kreistag in der Flächenbilanzierung ausdrücklich
nicht genutzt werden, um anderswo Siedlungsflächen einzusparen.
Martin Wörmann, Leiter des Umweltamts Bielefeld, erzählte,
dass die Bielefelder Ratsmehrheit bei der Berichterstattung zur
Naturhaushaltswirtschaft ausdrücklich keinen Zielwert für den Flächenverbrauch
wolle. Zwei Vertreterinnen der Paderborner Stadtverwaltung erzählten von ihrem
schwierigen Versuch, dort ein Baulückenkataster einzuführen.
BUND-Sprecher Jens Jürgen Korff resümierte: Das Beispiel
Barnstorf zeige, wie viel schon mit beschränkten Mitteln möglich sei, wenn nur
der politische Wille da sei – genau wie die erwähnten Beispiele aus der Region
zeigten, wie schon kleine Maßnahmen eines sparsamen Flächenmanagements auf
politischen Widerstand stießen. Um diesen Widerstand zu überwinden, sollen zu
weiteren „Bielefelder Gesprächen“ Expertinnen und Experten eingeladen werden,
die über die intelligente Umnutzung großer Gebäude, über flächenschonende
Gewerbe-Logistik, über Flächen-Bewirtschaftungskonzepte oder auch über
beispielhafte Projekte berichten können, bei denen vorhandene Wohnhäuser von
Senioren an junge Familien vermittelt wurden.
Kontakt:
BUND
Regionalgruppe Detmold
c/o
Jens Jürgen Korff
Meierstr.
4b, 32049 Herford
Tel.
05221/ 296 8255
jens.korff@bund.net
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