Dienstag, 11. Februar 2014

Bundesverkehrswegeplan 2015 – ein Aberwitz

NRW plant 190 Kilometer neue Straßen in OWL für 650 Millionen Euro
Steinhagen. // NRW setzt weiterhin auf viele überflüssige Straßen.  Das ist angesichts Finanznöte und Ressourcenknappheit ein Aberwitz. Trotz großer Ankündigung der Landesregierung ist keine verkehrs- und klimapolitische Mobilitätswende zu sehen. So umfasst der Vorschlag von NRW-Verkehrsminister Groschek zum Bundesverkehrswegeplan 2015 insgesamt 279 Projekte mit 72 neuen Fernstraßen. Rund 50 liegen in Ostwestfalen-Lippe – darunter vier Autobahnabschnitte.

„Das sind 190 Kilometer neue Straßen in unserer Region, die schätzungsweise über 650 Millionen Euro kosten. Dabei ist der Nutzen vieler Straßen äußerst fraglich“, sagt Marion Ernsting, Sprecherin des „OWL-Bündnisses gegen überflüssigen Straßenbau“. Der Zusammenschluss von rund 30 Verbänden und Bürgerinitiativen ist entsetzt vom Vorgehen des Landes.


So wurden für OWL acht neue Straßenplanungen aufgenommen. Weitere dreizehn, bisher als „nachrangig“ eingestufte Planungen, sind nun in den „vordringlicher Bedarf“ aufgenommen worden. Darunter 7 Planungen, die mit dem Vermerk „hohes ökologisches Risiko“ oder besondere „naturschutzfachliche“ Betrachtung.

NRW öffnet Straßenbau Tür und Tor

Grundlage für den Bundesverkehrswegeplan sind Vorschläge von Regionalräten, Kommunen oder Wirtschaftsverbänden. Doch vieles im NRW-Vorschlag geht über die Anmeldungen aus den Regionen hinaus. So sollen 670 Kilometer Autobahnen in NRW von vier auf sechs Fahrspuren ausgebaut werden – und circa 230 Kilometer von sechs auf acht Fahrspuren.
Das „OWL-Bündnis gegen überflüssigen Straßenbau“ hat erwartet, dass zumindest die Straßen, die das Land zuvor als „nachrangig zu planende Projekte“ genannt hat, nicht mehr in die neue Meldeliste aufgenommen werden. „Statt diesen Projekten aus eigener Anschauung einen eigenen Stempel aufzudrücken, überlässt NRW dem Bund die Entscheidung über Prioritäten“, kritisiert Marion Ernsting. „Das Land traut sich nicht zu, mit einer neuen Mobilitätskultur eine klare Linie vorzugeben. Man öffnet dem Straßenbau Tür und Tor.“

Überflüssige Straßen-Projekte in OWL

Unter den jetzt vom NRW-Verkehrsminister gemeldeten Projekten sind ein achtspuriger Ausbau der A 2 zwischen Kreuz Bielefeld und Landesgrenze Niedersachsen, ein sechsspuriger Ausbau der A 44 zwischen Kreuz Wünnenberg-Haaren und Kassel, ein vierspuriger Ausbau der B 61 zwischen Rheda-Wiedenbrück und Bielefeld-Ummeln, ein dreispuriger Ausbau der B 64 zwischen Brakel und Holzminden, ein dreispuriger Ausbau der B 239 zwischen Lage und Kirchlengern und ein vierspuriger Ausbau der B 482 zwischen Porta Westfalica und Petershagen.

Bereits 2011 hatte das „OWL-Bündnis gegen überflüssigen Straßenbau“ mit seiner
„Streichliste für Bundesfernstraßen“  gut begründete  Vorschläge zur Einsparung von Haushaltsmitteln gemacht. Davon sind drei Vorhaben real gestrichen worden:
 B 241 Ortsumgehung  Beverungen/Dahlhausen, B 252 Brakel/Rheder und Ortsumgehung Brakel/Siddessen. Insgesamt hätten aber 424,40 Millionen Euro gespart werden können. Die Liste steht zur Verfügung.

Das „OWL-Bündnis gegen überflüssigen Straßenbau“ fordert daher die OWL-Bundestagsabgeordneten auf, dieser rückwärtsgewandten Straßenplanung eine Mobilitätspolitik entgegen zu setzen, wie sie in der Schweiz schon seit 8 Jahren üblich ist und – in Deutschland durch den Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ absolut  umsetzbar wäre!

In 2014 wird der Bundesverkehrswegeplan im Verkehrsministerium in Berlin bewertet. NRW hat bereits 140.000 Kilometer Straßen, Deutschland mit 680.000 Kilometer das dichteste Straßennetz Europas.

Marion Ernsting: „Wir setzen auf die vom Bundesverkehrsministerium zugesicherte neue Transparenz bei der Bundesverkehrswegeplanung. Vielleicht deutet sich ja tatsächlich eine Trendwende an, wenn der Verkehrsminister Michael Groschek bei der Vorstellung der Liste für den Bundesverkehrswegeplan im Landtagsausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr feststellt: „Diese Liste ist keine Einladung zu Spatenstichen. Wir werden davon voraussichtlich eher ein Drittel als die Hälfte der Vorhaben in den nächsten Jahren realisieren können.“

Vielleicht gehören dann so bezeichnende Aussagen wie die des Landesbetriebs Straßen NRW zum A 33 Bau der Vergangenheit an: „Bis 2015 sehen wir keine Finanzierungsengpässe. Dann müssen wir weiter sehen, wo die dann noch fehlenden 140 Millionen € herkommen.“ (Haller Kreisblatt, 22.11.2013)

Ernsting: Bund und Land müssen in der Verkehrspolitik endlich umdenken und nachhaltig planen und bauen. Wir müssen uns vom Bau überflüssiger, unsinniger Straßen verabschieden! Wir brauchen das Geld für den öffentlichen Personennahverkehr und für die Sanierung der maroden-Straßen und Brücken!

Kontakt: Marion Ernsting
Arndtstr. 4
33803 Steinhagen

Telefon: 05204/3976

Daten und Fakten 
(zur Pressemitteilung vom 11. Februar 2014)

Der Bundesverkehrswegeplan 2015 plant 4.100 km neue Autobahnen und 5.500 km Bundesstraßen. Deutschland hat mit 680.000 km das dichteste Straßennetz Europas; NRW: 140.000 km.

„Jährlich fehlen 7,2 Milliarden Euro, um den Bestand des Straßennetzes und dessen nötigen Ausbau zu sichern.“ (Bundesverkehrsministerium, 2.10.13)

„Die rund 67.000 Straßenbrücken, für die die Kommunen zuständig sind, befinden sich häufig in schlechtem oder gerade noch ausreichendem baulichen Zustand.

Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) müssen viele dieser Brücken bis zum Jahr 2030 entweder saniert oder sogar komplett neu gebaut werden. Die dafür notwendigen Investitionsmittel für den Ersatz von Brücken beziffert das Institut auf rund elf Milliarden Euro bis 2030, hinzu kommen - grob geschätzt - noch etwa fünf bis sechs Milliarden Euro für den Ersatz von Brückenteilen ("Sanierung").“
(Deutsches Institut für Urbanistik, 30.9.13)

„Statt neue Trassen in die Landschaft zu schlagen, wollen wir, wo immer es zweckmäßig ist, die vorhandenen Straßen ausbauen. Das bestehende Straßennetz muss erhalten, modernisiert werden.“ Kurt Gscheidle, Bundesverkehrsminister 1974 bis 1980 über das Ziel „Qualität vor Quantität“

Mehrere Kommissionen haben sich mit der Verkehrsinfrastruktur befasst. Von einer „Instandhaltungskrise“ spricht schon die Pällmann-Kommission, 1999 von der Bundesregierung eingesetzt. Diese Krise hat jedoch bisher nicht „zu den notwendigen politischen Entscheidungen geführt“, so die Daehre-Kommission, eine Kommission der Verkehrsminister von Bund und Ländern 2012. Hier einige Zitate aus ihrem Bericht „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur“:

„Es ist davon auszugehen, dass Priorisierungen nicht sachgerecht ohne eine realistische Einschätzung der finanziellen Ressourcen, der Machbarkeit sowie Sinnhaftigkeit und Verträglichkeit von Projekten, auch unter Beachtung von Demografie und Nachhaltigkeit, vorgenommen werden können. Dabei werden die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger (..), klima- und umweltfreundliche Systeme, Ressourcen- und Naturschonung sowie Sozialverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit einen höheren Stellenwert erhalten müssen, um die notwendige dauerhafte gesellschaftliche Akzeptanz neuer Finanzierungsmethoden und -elemente einschließlich einer Zweckbindung zu erzielen.“
(S. 3)

In Deutschland haben „zum Beispiel 19,6 % der Autobahnstrecken, 41,4 % der Bundesstraßenabschnitte (..) den „Warnwert“ 3,5 erreicht bzw. überschritten.
Die Warnwertüberschreitung gilt auch für 46,1% der Brücken an Bundesfernstraßen, wobei der dort mit 2,5 angesetzt ist. Dies deutet auf eine gravierende Vernachlässigung der Erhaltungsmaßnahmen hin.“ (S. 11)

„Zum Zeitpunkt von Neuinvestitionen wird bei der öffentlichen Haushaltsfinanzierung gern übersehen, dass in größeren zeitlichen Abständen Instandhaltungs-, Erhaltungs-, Ersatz- oder Ausbaumaßnahmen vorzunehmen sind, um technischen Verschleiß, weiter entwickelte Sicherheitsvorschriften oder wirtschaftliche Überholung zu berücksichtigen.
Summiert man die aus Unterlassungen der Vergangenheit resultierenden Nachholbedarfe und die in Zukunft anfallenden Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen so entsteht ein Betrag, der deutlich über die bisherigen Haushaltsansätze hinausgeht.“ (S. 12)

(Zusammengestellt vom OWL-Bündnis gegen überflüssigen Straßenbau, Marion Ernsting, Steinhagen)

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