Donnerstag, 5. Juni 2014

Flächenfraß auf Null – eine Idee mit guten Gründen

Hintergründe zur Aktion "Zero Hectare - Flächenfraß auf Null" der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL und der Künstlergruppe Art at WORK im Juni 2014

Die Bezirkskonferenz Naturschutz OWL hat am 14. Februar 2014 entsetzt auf die Stimmen aus vielen Kommunen und aus der Wirtschaft reagiert, den Flächenverbrauch  in der Region ungebremst fortsetzen zu wollen. In ihrem Entwurf zum Landes-Entwicklungsplan (LEP) hat die Landesregierung das Ziel verkündet, den Flächenverbrauch im Land NRW bis 2020 von derzeit 10 auf im Durchschnitt 5 Hektar am Tag zu begrenzen. Warum Flächenfraß schlimm ist, warum er nicht sein muss, und was man dagegen tun kann.



 In einer „Detmolder Erklärung“ haben zahlreiche Lokalpolitiker und die Industrie- und Handelskammer eine Kampagne dagegen gestartet, dass die Boden- und Naturzerstörung begrenzt werden soll. Nach Auffassung der ostwestfälischen Naturschützer gilt der Flächenverbrauch derzeit als Umweltproblem Nr. 1 in Ostwestfalen-Lippe und in NRW. In NRW sind bereits ca. 25 % des ganzen Landes in Siedlungs- und Verkehrsfläche verwandelt und zum größten Teil mit Beton und Asphalt versiegelt.

1 Hektar pro Tag in OWL


Derzeit wird in OWL jeden Tag ca. 1 Hektar (= 100 * 100 m) Landschaft zugebaut. Das ist eine Fläche so groß wie der Bielefelder Kunsthallenpark. Diese Zahl wird nicht offiziell erhoben, sondern ergibt sich als Schätzung: Etwa 10 Hektar betrug der Flächenfraß 2013 in NRW. Da OWL rund 11 % der Einwohner von NRW beheimatet, ergibt sich daraus ein geschätzter Anteil von 1,1 Hektar am Flächenverbrauch.

Warum Flächenfraß schlimm ist

1. Weil dadurch Heimat verloren geht: Landschaft, in der Menschen wandern, radfahren, joggen, Vögel beobachten, das Wetter genießen, Bäche plätschern hören, sich erholen wollen.
2. Weil dadurch Lebensräume von Tieren und Pflanzen verloren gehen: Frösche und Kröten verlieren ihre Laichplätze oder werden davon abgeschnitten; Lerchen verlieren ihre Brutplätze, Schwalben und Kiebitze ihre Nahrungsgrundlage, Spechte und Fledermäuse ihre Höhlenbäume – um nur wenige Beispiele zu nennen.
3. Weil wir Ackerflächen verlieren, auf denen unser Brot und Gemüse erzeugt wird.
4. Weil die Zersiedlung dazu führt, dass die Infrastruktur immer weiter ausgedehnt werden muss und immer ineffizienter wird – ein enormer Kostenfaktor für die Zukunft.
5. Weil neue Wohn- und Gewerbegebiete neuen Lkw- und Autoverkehr erzeugen, dessen Lärm und Abgase Millionen von Menschen täglich quälen, und der das Klima belastet.
6. Weil für den Beton, der da verbaut wird, gigantische Mengen Sand und Kies aus Flusstälern und küstennahem Meeresboden herausgebaggert werden – mit enormen Schäden für die Natur.
7. Weil aktuell zum Beispiel der Strothbachwald in Bielefeld-Sennestadt davon bedroht ist, in dem zahlreiche alte Buchen stehen, darunter viele Höhlenbäume für Spechte und Fledermäuse.
8. Weil auf dem Hellfeld bei Bielefeld-Altenhagen eine beliebte Erholungslandschaft für die Anwohner bedroht ist. Zudem wird der Lkw-Verkehr auf der Altenhagener Straße unerträgliche Ausmaße annehmen.
9. Weil in Löhne-Gohfeld 20 ha bestes Ackerland für einen Logistikbetrieb geopfert werden sollen, was den Lkw-Verkehr in den Wohngebieten ins Unermessliche steigern wird. Nur damit weiterhin ein paar verrückte Mädels für ihre Partys kostenlos Kleidung bei Zalando bestellen und anderntags zurückschicken können.

Warum Flächenfraß nicht sein muss

1. Die Bevölkerung nimmt nicht mehr zu, sondern ab. Deshalb ist es unsinnig, weitere Wohngebiete in der offenen Landschaft auszuweisen. Wachsende Bedürfnisse nach Wohnraum können auch durch effizientere Nutzung der vorhandenen Wohnbebauung und Wohnflächen befriedigt werden.
2. Die Wirtschaft wandelt sich von industrieller Produktion zur Dienstleistung. Dienstleistungsbetriebe können in der Regel platzsparend angelegt werden. Pro Dienstleistungs-Arbeitsplatz wird viel weniger Fläche benötigt als pro Industrie-Arbeitsplatz.
3. Anders als die IHK behauptet, gibt es jede Menge Gewerbebrachen in OWL, die genutzt werden könnten. Ein paar Beispiele: die ehem. Metallwerke Windelsbleiche, Bielefeld Herforder Str./Hellingstr., Güterbahnhof Bielefeld, Bielefeld Meisenstraße, Herford Goebenstraße (Praktiker), Herford Salzufler Straße (Corsmann). Die Bebauung des Droop-&-Rein-Geländes am Bielefelder Hauptbahnhof ist es gutes Beispiel dafür, dass es geht: Diese Flächen können genutzt werden.
4. Dazu kommen die riesigen ab 2015 frei werdenden Kasernenflächen, vor allem in Paderborn-Sennelager und Herford. Sie stehen für gewerbliche undSiedlungszwecke zur Verfügung. Eine Ausnahme bildet der Flugplatz Gütersloh, der zum größten Teil als wertvolle Naturlandschaft erhalten werden muss.

Was man gegen Flächenfraß tun kann

1. Die Städte und Gemeinden müssen Gewerbeflächen in der offenen Landschaft verknappen, damit die Betriebe gezwungen sind, flächensparend zu bauen (z. B. zweistöckig statt einstöckig), Gewerbebrachen zu nutzen und ihre Logistik flächen- und verkehrssparend zu organisieren. Das kostet Geld? Ja, das kostet Geld – dieses Geld muss es uns wert sein, unsere Landschaften zu retten.
2. Konversionsflächen (ehem. Kasernen) können umgenutzt werden; dafür muss auf neue Siedlungsflächen in der Landschaft verzichtet werden. (Die IHK wendet sich genau dagegen, dass diese Flächen als nutzbare Flächen angerechnet werden.)
3. Programme wie Jung kauft Alt in Hiddenhausen bewirken, dass die vorhandenen Wohnhäuser effizienter genutzt werden.
4. Eine Reform der Gemeindefinanzierung muss bewirken, dass der Anreiz für die Städte und Gemeinden wegfällt, durdch Ansiedlung von Gewerbe Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen

Jens Jürgen Korff, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL zum Thema Flächenfraß
Kontakt: jens.korff@bund.net 

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