Mittwoch, 21. Januar 2015

Wir haben Agrarindustrie satt: 200 Ostwestfalen in Berlin

50 Aktive aus Werther, Bielefeld und Herford kommen in Berlin an.
Spruch des Tages: Veggies gegen die Salamisierung des Abendbrotes

Berlin: In Berlin gingen zum fünften Mal Bäuerinnen und Bauern, Imkerinnen und Imker zusammen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern für eine grundlegend andere Agrarpolitik auf die Straße. Das Bündnis forderte von der Bundesregierung eine klare Absage an das EU-USA-Handelsabkommen TTIP, einen wirksamen gesetzlichen Schutz der Land- und Lebensmittelwirtschaft vor der Gentechnik sowie den sofortigen Stopp des weiteren Ausbaus von Mega-Ställen. Der Demonstrationszug mit rund 50.000 Teilnehmern vom Potsdamer Platz zum Bundeskanzleramt wurde von einem Fahrzeugkonvoi mit mehr als 90 Traktoren angeführt. Mit dabei: Rund 200 Ostwestfalen, die mit Bus und Bahn aus Detmold, Lemgo, Werther, Bielefeld, Herford, Minden und Bad Oeynhausen anreisten.

Das „Wir haben es satt!“-Bündnis hat in den letzten Jahren viel erreicht: TTIP ist in aller Munde und 97 Prozent der Europäer lehnen mehr Macht für Konzerne ab. Bürgerinitiativen haben mit Hilfe des neuen Baugesetzes mehr als 100 Mega-Ställe verhindert. Gentechnik hat durch das Engagement einer breiten Bewegung auf unseren Äckern keinen Fuß gefasst. Doch dies sind nur die Anfänge einer dringend notwendigen Agrarwende für eine Zukunft der Landwirtschaft in bäuerlicher Hand mit Rückhalt in der Gesellschaft.

„Das EU-USA-Handelsabkommen (TTIP) dient einseitig global agierenden Konzernen und wird vielen bäuerlichen Betrieben hier und weltweit die Existenzgrundlage entziehen. Gleichzeitig drohen die Verbraucherstandards gesenkt zu werden“, sagte Jochen Fritz, Sprecher des „Wir haben es satt!“-Bündnisses. „Das heißt mehr Gentechnik im Trog und Hormonfleisch durch die Hintertür. Deswegen fordern wir von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel TTIP zu stoppen!“

Die Agrarpolitik der Bundesregierung wird von den Veranstaltern scharf kritisiert. Sie habe dazu beigetragen, dass beispielsweise seit dem Jahr 2000 mehr als Dreiviertel der SchweinehalterInnen aufgegeben haben, während Fleischkonzerne zunehmend die Tierhaltung übernähmen. Trotz eines Selbstversorgungsgrades mit Fleisch von 120 Prozent würden weiter Mega-Ställe in Deutschland genehmigt.

„Die Strategie, die Produktion immer weiter auszudehnen, was zu Dumping-Exporten auf dem Weltmarkt führt, ist gescheitert. Die Landwirtschaft in Deutschland braucht eine Zukunft jenseits von Tierfabriken und Mega-Schlachthöfen“, so Fritz. „Wenn die Bundesregierung jetzt nicht handelt, zementiert sich eine agrarindustrielle Struktur, die nicht mehr veränderbar ist. Die Zukunft liegt in der Ernährungssouveränität auf Basis regionaler Märkte.“

Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sagte in seiner Rede bei der Abschlusskundgebung vor dem Bundeskanzleramt: „Der Protest gegen die bisherige Agrarpolitik bringt erste Erfolge. Dank bundesweit rund 250 Bürgerinitiativen wurden mehr als 100 geplante Riesen-Ställe nicht gebaut. Endlich werden artgerechte Ställe stärker gefördert und Agrarminister Schmidt hat angekündigt, gegen den überhöhten Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung vorzugehen. Noch immer profitieren Fleischkonzerne und Handelsketten davon, dass die Agrarindustrie die Produktions- und die Umweltkosten der Allgemeinheit aufbürdet. Zugleich wächst das Bewusstsein der Verbraucher über die Risiken und Nebenwirkungen der industriellen Landwirtschaft. Die Lebensmittelerzeugung in bäuerlichen und mittelständischen Betrieben muss endlich vor unfairen Wettbewerbsbedingungen geschützt werden und mehr Anerkennung finden."



Dem Aufruf des lippischen Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland mit nach Berlin zur Demonstration gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft zu fahren, haben sich rund 80 Teilnehmer angeschlossen, darunter viele Jugendliche. Für sie war es kein Problem schon morgens um 4 Uhr aufzustehen und sich mit Bus und Bahn auf den Weg zu machen. Sie gehörten zu mehreren 10.000 Demonstranten, die anlässlicher der Grünen Woche in Berlin für ein Umdenken in der Landwirtschaft demonstrierten. Schon längst geht es bei der Demonstration nicht nur um Tierschutz. Das Risiko, dass durch das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA die Umweltstandards in Europa wieder abgesenkt werden und GEN-Produkte freien Zugang zum Markt erhalten, war ein weiteres Thema. Auch die große Sorge, dass sich durch den jährlichen Einsatz von rund 1.700 t Antibiotika in der Massentierhaltung immer mehr multiresistente Keime verbreiten, motivierte die Teilnehmer aus Lippe, mit nach Berlin zu fahren. Die Wochenzeitung Die Zeit hatte jüngst berichtet, dass in unseren Krankenhäusern inzwischen jährlich geschätzte 7.500 bis 15.000 Menschen sterben, weil sie sich mit Keimen infizieren und Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirkt. Im Straßenverkehr sterben dagegen weniger als 3.500 Menschen jährlich.


Der Bund Minden Lübbecke fuhr mit 27 Aktiven per Bahn nach Berlin.

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